Ein seltsames Rechengerät:

der Abakus

Der Mensch war immer bemüht, seine Berechnungen zu beschleunigen. Die Babylonier waren die ersten, die mit Markierungen in Tontäfelchen ihre Rechenoperationen beschleunigten und präzisierten. Der Abakus wurde erst später erfunden, vielleicht im alten Ägypten, doch das weiß man nicht genau. Der Abakus war die erste Rechenmaschine des Menschen; die Zahlen wurden von kleinen Gegenständen (Kieselsteinen, Fruchtkernen oder durchbohrten Muscheln) dargestellt, die auf dünnen Stöckchen aufgereiht waren. Sein Name stammt wahrscheinlich von dem griechischen Ausdruck abax,  abakos,   womit eine "staubbedeckte Tafel" gemeint war, auf der man Berechnungen und geometrische Figuren zeichnen konnte. Das griechische Wort läßt sich möglicherweise vom hebräischen abaq,   das heißt "Staub", ableiten. Der Ausdruck verweist also auf eine Entstehung im Nahen Osten.

Obwohl die Mathematiker des antiken Griechenland mit den Entdeckungen der meriterranen Völker vertraut waren und sie mit eigenen Beiträgen fortzuentwickeln wußten, fanden ihre Erkenntnisse keinerlei praktische Auswirkungen auf das soziale und wirtschaftliche Leben der griechischen Gesellschaft. Vielmehr hielt man solche Gedankengänge für wenig mehr als intellektuelle Spielereien. Selbst naturwissenschaftliche und technische Fortschritte orientierten sich kaum an praktischen Anwendungen, an einer Steigerung der Arbeitsproduktivität oder einer Befreiung von körperlichen Belastungen, sondern wurden vor allem als Ausdruck der Erfindungsgabe der Intelligenz verstanden. Das selbe Vorurteil behinderte auch die Entwicklung der griechischen Mathematik, so dass wir die wichtigsten algebraischen und arithmetischen Entdeckungen den indischen und arabischen Mathematikern der Zeit zwischen 400 und 1200 n.Chr. verdanken. In unsere Gefilde gelangte dieses Wissen durch die Kaufleute der Seerepubliken.

Ihre stärkste Verbreitung erfuhr die Mathematik nach der protestantischen Reformation und die Erfindung von Papier und Buchdruck. Es war Martin Luther, der neben der Vervielfältigung der Bibel die Drucklegung arithmetischer Textbücher verlangte. Die Inder und nach ihnen die Araber hatten die Vorteile des positionellen Zahlensystems erkannt. Händler und Kaufleute zogen aus dieser Vereinfachung besonderen Nutzen, und sie brachten auch den Abakus in die Länder des Westens. In manchen Restaurants und Geschäften Rußlands, Chinas und Japans wird er noch heute benutzt, und auch die bunten Kügelchen bestückten Rechenhilfen der Erstkläßler stammen davon ab.

Die Form des Abakus variiert je nach Volk und Zeitstufe. Die Version mit Holzperlen auf dünnen Stäbchen stellt einen Typ dar, den wahrscheinlich die Chinesen erfunden haben. Die Araber entwickelten andere Konstruktionen, beispielsweise in der Form eines schräg angeordneten Gitters. Wir wollen es mit der Multiplikation etwa der Zahlen 3283 und 215 erklären. Das rechteckige Gitter enthält so viele Kästchen, wie die zu multiplizierenden Zahlen Ziffern haben, in unserem Fall also 4x3. Die Quadrate werden durch senkrechte Diagonale geteilt, die nach unten auf eine Basislinie geführt werden. Die beiden Zahlen schreibt man an den Rand und multipliziert sie dann Ziffer für Ziffer. Das Kästchen rechts außen z.B. enthält das Ergebnis der Operation 5x3=15, das Kästchen ganz links die Operation 2x3=6. Einer stehen rechts der senkrechten Teilungslinien, Zehner links davon. Wenn das Gitter voll ist, werden die Zwischenergebnisse auf der Basislinie addiert. Die Richtigkeit des Ergebnisses 705.845 kann jeder mit dem Calculator in Tools sofort überprüfen.

Die zweite Abbildung zeigt eine Variation eines Abakus mit ähnlichem Aufbau. Auch hier wird diagonal addiert, um das Ergebnis zu erhalten. Ein Schema dieser Art schwebte 400 Jahre später Pascal und Leibnitz vor, als sie an die Entwicklung der ersten Rechenmaschine dachten.

Das Schlußbild zeigt einen Abakus, wie er heute noch in China in Gebrauch ist. Dieser eignet sich nur für Addition und Subtraktion. Jede senkrechte Perlenreihe repräsentiert eine bestimmte Position des Dezimalsystems, das heißt von rechts nach links die Einer, Zehner, Hunderter usw. Jede Perle unter dem Querbalken gilt entsprechend als 1, 10, 100 usw. Eine Perle über dem Balken repräsentiert 5 Einheiten, also 5 Einer, 5 Zehner usw. Auf dem Bild wird die Zahl 173 dargestellt.

Bei der Addition beginnt man ganz rechts und schiebt die benötigten Perlen zum Querbalken zu dem eingestellten Ausgangswert hinzu. Reichen die Perlen im Depot nicht mehr aus, dann muß gegen einen 5er Wert getauscht werden. Bei der Subtraktion arbeiten wir von links nach rechts. Das Rechensystem bleibt auch hier das gleiche. Nur hier muß vom Mittelbalken weggezogen werden. Detailliertere Beschreibung ist an dieser Stelle wohl nicht vonnöten, da in heutiger Zeit alles elektronisch gerechnet wird und Kopfarbeit nicht mehr gefragt ist. Mit diesem kleinen Ausflug wissen wir aber etwas eingehender und ausführlicher, was eigentlich ein Abakus ist, nämlich der Ur- Ur- Urvorgänger unserer Freundin.

[Wolf Zimmer]


Gehe zum Anfang.
zurück